19. März 2024

Die Auktion von A.Beauvrye

Die Auktion

Viktoria betrachtete sich im Spiegel während ihre zwei Halbblutzofen ihr Korsett für sie schnürten. Sie liebte es, wenn sie eine dünne Taille hatte. Allerdings war ihr schleierhaft wie Menschen es schafften damit herum zu laufen. Als Vampir störte sie es nicht, weniger Luft zu bekommen, aber Menschen mussten schließlich atmen um zu überleben.

Schnell schob sie den Gedanken wieder beiseite und schlüpfte in ihr in Regenbogenfarben schimmerndes Ballkleid. Danach betrachtete sie die ebenso bunte Vogelmaske auf ihrem Schminktisch. Genau das richtige für den Maskenball auf den sie gehen wollte. Doch vorher machte sie noch ihr Make Up fertig.

„Bereitet die Sänfte vor“, wies sie die Zofen an und begann sich zu frisieren. Immerhin wollte sie nicht, dass ihre Haare durch den Wind durcheinander kamen.

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Als Henrietta die Augen aufschlug befand sie sich auf einem kühlen metallenen Boden. Ihre Kleidung hatte man ihr ausgezogen. Schemenhaft konnte sie Umrisse erkennen. Sie tastete um sich und erkannte das sie in einem Käfig gefangen war. An den Verschluss kam sie nicht heran. Um sie herum schienen mehrere mannshohe Kerzenständer zu stehen, an denen aber kein Licht brannte.

Verzweifelt versuchte sie sich daran zu erinnern, wie sie hier hergekommen war. Doch ihre Erinnerung war wie leergefegt. Das Letzte, an das sie sich erinnerte war, dass sie im Garten gesessen hatte und an einem neuen Kleid gearbeitet hatte.

Ein Geräusch lenkte Henriettas Aufmerksamkeit zurück ins hier und jetzt. Ein Luftzug ließ sie frieren und sie wusste jemand war hereingekommen. Seltsam war, dass sie keinen Lichtspalt hatte entdecken können. War der Raum so verwinkelt das die Tür nicht zu sehen war?

Eine Gestalt näherte sich dem Käfig und begann den Kerzenhalter zu bestücken und anzuzünden. Erschrocken wich sie zurück, als sie erkannte, dass der Mann eine Art metallenen Maulkorb trug. Bis ihr bewusst wurde, dass er ebenso hier festgehalten werden musste wie sie. „B-Bitte, lasst mich heraus…“, flüsterte sie und sah sich vorsichtig um, ob auch niemand lauschte. Doch er reagierte nicht und machte stoisch mit dem entzünden der Kerzen links und rechts von ihr weiter. Das Feuer machte es etwas angenehmer, aber sie konnte nur ein klein wenig weiter sehen als vorher. Es wirkte wie ein großer Saal. Sie schien in irgendeiner Burg zu sein. „Nein lass mich nicht allein“, flehte sie, als der Diener in der Dunkelheit verschwand, aber ohne eine Reaktion zu zeigen verließ er ihr Blickfeld.

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Das Grollen und Blitzen sorgte dafür, dass Viktoria froh war, sich mit der Sänfte durch die Nacht fliegen zu lassen. Die dicken Vorhänge hielten den Regen ab. Ohne zu Murren setzten ihre Halbblüter sie unter einem geschützten Dach ab und achteten darauf, nicht zu nah an sie heran zu treten um den Boden nicht vor ihr aufzuweichen. Ihr Gastgeber holte sie sogar persönlich ab. „Sie sind sehr früh, aber das trifft sich gut, ich wollte euch ein paar der Stücke noch vor der Auktion zeigen.“ Galant bot er ihr seinen Arm an, sie hakte sich ein und ließ sich zu dem großen Ballsaal des Anwesens führen. An den Wänden standen ein Haufen zerbeulter und verdreckter Rüstungen. Angeblich alles Jäger, die ihr Gastgeber schon getötet hatte. Einige der Halbblüter polierten noch an den letzten Stücken die aufgebaut waren herum und verließen fluchtartig den Raum als sie ihren Herren mit Viktoria hereinkommen sahen. Ein Dolch stach besonders ins Auge. Interessiert näherte sich Viktoria dem Stück und betrachtete es.

„Eine exakte Kopie von Draculas Dolch.“ Mit fragendem Blick richtete sie sich wieder auf „Wozu? Wer will so einen Schund?“

„Du glaubst gar nicht wie viele Dummköpfe mir glauben werden, er seie echt.“

Interessiert musterte Viktoria die Schmuckstücke. „Hast du etwas herausgefunden über den Ring, den eine Hexe erschaffen haben soll, damit Vampire am Tag herum wandeln können?“ Doch er lachte nur amüsiert. „Das ist nur ein dummes Gerücht, das ein Jäger gestreut hat. Aber sieh dir das an.“ Damit führte er sie zu einem Ring mit einem Weiß, grauen Edelstein der strahlte wie der Vollmond. „Dieser Ring, soll verflucht sein und uns sogar so empfindlich machen, dass selbst das Mondlicht uns verbrennt. Schade das es heute bewölkt ist und wir es nicht sehen können.“ Wehmütig blickte er zum Fenster. Ein Blitz warf ein faszinierendes Schattenspiel auf sein Gesicht. Schade, dass er es später unter einer Maske verstecken würde.

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Wie viel Zeit vergangen war konnte Henrietta nicht sagen. Inzwischen brannte das Kerzenlicht unangenehm auf der Haut. Immer wieder waren Menschen durch den Saal gehuscht und hatten noch etwas aufgebaut oder gewischt. Eine Kleiderpuppe mit ihrem Kleid wurde dicht neben den Käfig gestellt. Auf der anderen Seite ein Tisch mit kleinen Häppchen und einer Karaffe mit Wasser. Genau so weit entfernt, dass sie sie nicht in die Finger bekam. Dann kam ein Mann auf sie zu, der Kleidung nach der Hausherr. An seiner Seite eine Frau in einem Kleid mit so vielen Farben, das Henrietta für einige von ihnen nicht mal einen Namen wusste. In ihrer Hand trug sie eine Maske an einer Stange.

Gelangweilt blickte die Hausherrin an Henrietta runter und betrachtete dann das Kleid. Peinlich berührt versuchte sich Henrietta so gut es ging zu bedecken.

„Menschen habe ich diesmal nicht so viele zusammenbekommen aber auf diese bin ich sehr stolz. Sie ist jung, unberührt und im besten Alter für die Zucht. Man kann sie auch wandeln und Hausarbeiten von ihr machen lassen.“ Skeptisch ließ die Frau von dem Kleid ab, dessen Nähte sie sehr genau inspiziert hatte. Grob schlug sie mit der Stange gegen den Käfig und sah Henrietta an. „Zeig mir deine Hände!“

Panisch presste sie die Hände an ihre Brust und rutschte, soweit es der Käfig zu ließ, von dieser Frau weg. Doch das brachte nicht viel. Stattdessen schlug diese noch zweimal gegen den Käfig und der Hall der Schläge klingelte in ihren Ohren wieder. In der Hoffnung dann endlich Ruhe zu bekommen streckte sie ihre zitternden Finger vor.

„Die hat doch noch nie in ihrem Leben gearbeitet.“, folgerte die bunte Frau und betrachtete ihre Hände, als könnte sie daraus lesen. Fasziniert sah Henrietta sie an. „Sind sie eine Hexe?“

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Die Frage dieses Menschen war so dreist, dass Viktoria kurz überrascht war. Gemeinsam brachen sie Beide in schallendes Gelächter aus. „Letzten Endes wird die nicht mehr als ein Mitternachtssnack werden.“, schlussfolgerte sie und sah ihren Begleiter an. Doch dieser zuckte gleichgültig mit den Schultern. „Solange ich bezahlt werde, ist mir das egal.“

So hakte sie sich bei ihm ein und gemeinsam machten sie sich auf den Weg in den Garten bis die Gäste eingetroffen waren.

„Das Kleid, das du so bewundert hast, hat das Mädchen selbst genäht. Du hast doch immer nach einer talentierten Schneiderin gesucht. Mit etwas Training würde sie sicher ein wunderbares Halbblut. Bis sie alt genug ist, kannst du sie ja dennoch zur Zucht nutzen.“

Nachdenklich sah Viktoria Ambrosius in die Augen. „Vielleicht biete ich mit.“ Doch eigentlich war sie nur zweitrangig an dieser Auktion interessiert. Auch wenn sie sich fragte was er an diesem Menschen so faszinierend fand. Er war ein Sammler und mochte nur besonders Schönes oder Seltenes. Bisher wirkte sie nicht so, als wäre sie eines von beidem.

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Inzwischen war das Fest in vollem Gange. Ständig blieb einer dieser Besucher vor ihr stehen und betrachtete sie wie ein Stück Vieh. Wie zur Belustigung zwangen sie sie ihnen aus der Hand zu essen. Die Angst und der Hunger trieben sie dazu das Spiel mitzuspielen. Vielleicht verloren sie dann die Lust an dem Spiel und brachten sie zurück. Sie blinzelte die Tränen weg. Sie durfte nicht schwach wirken und vor diesen Monstern weinen.

Obwohl der ganze Saal voll mit Menschen war, war die Beleuchtung spärlich, doch keiner dieser Leute schien sich daran zu stören. Alles war so merkwürdig.

Musik wie sie sie noch nie gehört hatte begann zu erklingen und immer wieder war das klingeln von Glöckchen zu hören. Inmitten der Menge gab es Bewegung. Etliche Tänzerinnen und Tänzer die die Menge in ihre Darbietung einbanden. Noch immer schien sich niemand daran zu stören, dass sie in diesem Käfig saß. Wie viele dieser bösartigen Wesen konnte es denn nur geben? Immer wieder erinnerte sie ein kalter Luftzug, dass sie nichts hatte um ihre Blöße zu bedecken, was noch erniedrigender war, wenn sie sah wie schön die Masken und Kleider der Gäste waren.

Eine Frau mit schneeweißem Kleid und einigen weißen Blüten am Revier und einer weißen Halbmaske mit ihrem Partner komplett in Schwarz und einer Maske die wie eine sehr hässliche gehörnte Echse aussah liefen die ganzen Exponate ab.

Während sie alles betrachtete, als wäre es der größte Schatz den sie je gesehen hatte sah er sich um, schien nichts wirklich lange im Blick zu behalten. Es war wegen der Maske schwer zu sagen, aber sie vermutete, dass er gelangweilt war.

„Sieh mal, ein gerade erwachsener Mensch.“ Unsicher wich Henrietta zurück so weit es ging. Im Licht der Kerzen blitzten die Eckezähne der Frau auf, welche viel länger waren als der Rest. Wie bei diesen Kreaturen, vor denen ihr Vater sie immer gewarnt hatte. Der Nosferatu, ein Vampir. Immer hatte sie ihn für verrückt gehalten. So hatten es ihre Verwandten ihr immer versichert.

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Den ersten Tanz schenkte der Gastgeber Viktoria. Danach lernte sie einige der Anwesenden kennen, die sie bisher nicht kannte. Sie alle hatten lediglich gemeinsam, dass sie sich nicht Dracula und seinen Regularien unterwarfen. Aber immer wieder nutzen sie Beziehungen untereinander um Ressourcen und noch viel öfter Gefallen einzutauschen. Das waren wichtige Güter.

Das Menschenmädchen war für die meisten uninteressant. Deswegen würde der Preis nicht sehr hoch werden. Wenn sie wirklich dieses Kleid genäht hatte wäre sie wirklich eine gute Ergänzung. Doch erstmal begrüßte Ambrosius alle Anwesenden. Die anderen Menschen wurden hereingeführt. Die Kräftigen und einige Kinder sollten verkauft werden. Die schwachen wurden unter die Menge gescheucht damit man sich an ihnen bedienen konnte. Nur eines der jungen Mädchen, brachte er direkt zu Viktoria. „Für meinen besonderen Gast.“ Nach einem kurzen Handkuss ließ er sie mit dem kleinen Mädchen zurück. Ihre Augen verfolgten ihn noch einen Moment, ehe sie sich wieder in den Divan setzte und die Kleine Süßigkeit austrank, bevor noch jemand auf die Idee kam, sie ihr wegzutrinken.

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Henriettas Befürchtungen bestätigten sich. Alte und schwache Menschen wurden durch den Raum getrieben und nach der Rede wurde jeder von ihnen von unzähligen der Anwesenden gebissen. Panisch schrie sie auf, doch keiner reagierte auf sie. Die anderen Gefangenen rissen an ihren Ketten und versuchten sich zu befreien doch es funktionierte nicht. Stattdessen wurden sie scheinbar mit einem hypnotischen Blick ruhig gestellt.

Die Erkenntnis, dass es keine Rettung geben würde sickerte tief in Henriettas Bewusstsein. Ihr Vater war ständig auf Reisen, er würde nicht wissen wo sie war.

Nur Dumpf drang es zu ihr durch, dass die Blicke auf ihr ruhten.

„Ein besonderes Exemplar, im besten gebärfähigen Alter, gut in Näh- und Stickarbeiten.“ Dabei wies der Hausherr auf ihr Kleid. „Und was sie zu einer besonderen Kostbarkeit macht, sie ist die Tochter eines Vampirjägers, der schon einige der unseren auf dem Gewissen hat.“

Ein Raunen ging durch die Menge. Als wäre sie ein Schmuckstück boten sie einer nach dem anderen Gold auf sie. Am Ende bekam die Regenbogendame den Zuschlag.

„Doch nun zu den wertvollen Schmuckstücken dieser Auktion…“, säuselte der Vampir und begann einige Schmuckstücke zu präsentieren. Ihre Käuferin kam auf sie zu und betrachtete sie. „Die Tochter eines Jägers?“ Warum konnte Henrietta nicht sagen aber sie nickte automatisch. Obwohl sie nicht antworten wollte.

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Fasziniert betrachtete Viktoria das Menschenmädchen. Der Jäger würde keine Spur haben, die ihn hier her führte. Das war klar. Sonst hätte Ambrosius niemals das Mädchen in sein Schloss gebracht. Zwar liebte er Besonderheiten und war risikobereit, aber er würde sein Heim niemals in Gefahr bringen.

Nun war es soweit das Ambrosius den Ring anbot. Natürlich erzählte er, dass es jener Ring sei. Sein künftiger Besitzer würde schon lernen nicht jede Geschichte die er erzählte zu glauben. Es bedeutete ihr viel, dass er zu ihr stets ehrlich war und ihr sagte wenn er etwas verkaufte, dass nicht das war, was es zu sein schien. Im Gegenzug dazu behielt sie seine Geheimnisse für sich und bisher war er noch immer damit davon gekommen.

Stolz legte der Käufer den Ring sofort an. Der Dolch wurde ebenfalls hoch verkauft. Allerdings gab es dort weit weniger Bieter. Die meisten ahnten, dass er eine Fälschung war. Aber wie er bereits prophezeit hatte, gab es immer Käufer. Der restliche Abend verlief nicht gerade schön. Ständig war ihr Gastgeber von anderen umringt und er machte ihnen genauso schöne Augen wie auch ihr. Als sie sich verabschiedete bot er nicht mal an sie zu begleiten. Ungehalten befahl sie dem Mensch das Kleid anzuziehen, damit sie auf dem Rückflug nicht erfror. Gerade wollte sie in die Sänfte steigen. Als auch andere Sänften und Kutschen bereit standen. Der Himmel hatte aufgeklart. Der Käufer des Ringes trat heraus und schrie auf. Erschrocken wandten sich alle zu ihm und konnten zusehen wie seine Haut blasen Schlug, schneller und schlimmer als in direkter Sonneneinwirkung. Offenbar war es ihm unmöglich den Ring abzustreifen. Ein anderer Vampir kam dazu und schnitt ihm mit einem Dolch Zwei Finger ab, weil er einfach nicht still hielt. Der Ring fiel klirrend zu Boden und leuchtete verlockend schön. Als Viktoria den Kopf hob, sah sie Ambrosius auf dem Balkon der das Geschehen mit einem Funkeln in den Augen verfolgt hatte. Dieser wundervolle Mann. Mit diesem Gedanken stieg sie in die Sänfte und ließ sich nach Hause bringen.

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