19. April 2024

Protastik – Protas auf Abwegen 26.01.2023

Jeden Sonntag veröffentlichen Anke Becker und Christina Marie Huhn eine neue Aufgabe für ihre #Protastik-Challenge. Am darauffolgenden Donnerstag werden dann die Geschichten dazu gepostet.

Unseren Beitrag findet ihr ebenso Hier


Der wolkenverhangene Himmel passte bestens zu Drewfires Stimmung. Nicht ein Stern war zu sehen und je näher sie dem Gebirgskamm und damit dem Schloss kam, umso drohender wurde das dunkle Gewittergrollen.
Und doch hatte die düstere Atmosphäre etwas Romantisches. Die dicken, schwarzen Wolken, welche sich über dem verwitterten Fels auftürmten und die Turmspitzen des Schlosses verschlangen, ließen das alte Gemäuer noch düsterer und bedrohlicher wirken, als es ohnehin schon war. Als dann die ersten Blitze über den Himmel zuckten und die Schatten wild tanzen ließen, wirkte es beinah, als wäre das Gebäude zum Leben erwacht. Um das Bild mehr zu genießen, war Drewfire gelandet und blickte zu dem imposanten Gebilde auf. Irgendwann würde sie einmal nur hierher kommen, um einen solchen Anblick auf Leinwand zu bannen.
Gemächlich ging sie weiter. Dass sie so ihre Ankunft ein wenig mehr hinauszögerte und damit auch die Tatsache, dass sie sich mit den Ratsmitgliedern auseinandersetzen musste, wie Dracula es von ihr gefordert hatte, hatte rein gar nichts mit dem tändelnden Gang zu tun.
So gefangen von der Schönheit der Natur, wäre ihr beinahe die ungewöhnliche Aura entgangen, die sich irgendwo zwischen den Bäumen, auf die sie sich gerade zubewegte, befand. Sie gehörte eindeutig einem Menschen und doch versuchte ihr Verstand, ihr einzureden, dass sie ihr bekannt vorkommen müsse. Sicherlich, sie hatte aus einer Laune heraus die eine oder andere Mahlzeit lebend davonkommen lassen, aber sie war doch nicht auf die Idee gekommen, sich ihr Gedächtnis mit unnützen Erinnerungen, wie der einer fatiganten, menschlichen Aura zuzumüllen.
So fernab jeglicher, menschlicher Zivilisation eine derart konzentrierte und angstfreie Aura – das deutete auf einen Vampirjäger hin, der sich wohl einbildete, er könne hier ruhmreiche Beute machen.
Lächerlich.
Aber wenn er nun schon hier war, warum nicht ein wenig mit diesem Menschen spielen? Noch ein klein wenig trinken? Das klang doch gar nicht so schlecht. Außerdem konnte ihr kaum einer eine Verspätung vorwerfen, die durch einen lästigen Jäger zustande kam.
Schritt für Schritt bewegte sie sich also auf die Aura zu, hielt ihre Mimik dabei neutral. Ihr Blick wanderte unauffällig zwischen Gebüschen und Bäumen hin und her und sie fragte sich, was für unsinnige Fallen sich dieser armselige Jäger ausgedacht hatte, wenn er glaubte, allein angreifen zu können.
Zu spät bemerkte Drewfire einen ungewöhnlichen Widerstand am Fuß. Eine dünne Schnur riss und setzte im Wald um sie herum einiges in Bewegung. Zwischen den Blättern konnte sie gerade noch einige Lampen erkennen, ehe die gesamte Umgebung in grelles Licht getaucht wurde. Drewfire kniff die Augen zusammen, doch selbst durch die geschlossenen Lider schmerzte die Helligkeit.
Ihr eigenes Lachen hallte in ihren Ohren.
Irritiert versuchte Drewfire durch die Lichtwand zu blinzeln. Denn sie selbst lachte nicht.
»Was für ein glücklicher Zufall«, verkündete eine Stimme, die Drewfires erschreckend ähnlich war. Und dann diese Aura …
Warum kam sie ihr so bekannt vor?
»Das hast du nicht erwartet was?«, fragte die Jägerin blasiert.
Drewfire sparte sich eine Antwort. Sie lauschte auf jegliches Geräusch und bewegte sich auf die Aura zu. Ein Schuss ertönte und die Kugel bohrte sich in ihr Bein. Sie schwankte und prallte gegen einen der Bäume. Verdammt. Wie viele dieser Lichter hatte diese Menschenfrau hier aufgebaut?
»Was ist los? Kommst du gegen einen einfachen Menschen nicht an? Du wirst doch auf deine alten Tage nicht schlapp machen, Drewfire.«
Drewfire stockte und konnte sich gerade noch davon abhalten nachzufragen, woher dieser elende Parasit sie kannte. Womöglich hatte sie Kontakte unter den Abtrünnigen. Derartige Verbindungen wären immerhin nicht das erste Mal…
Sie war nah. Aber erstmal musste sie diese verflixten Lichter loswerden. Sie ging in die Hocke, tastete den Boden ab und bekam etwas zu fassen, das sich nach einem Tannenzapfen anfühlte.
Sie blinzelte leicht und warf.
Mit einem triumphierenden Lächeln registrierte sie das befriedigende Klirren von Glas und spürte den nachlassenden Schmerz ihrer Augen.
»Ganz passabel. So einen großen Strahler zu treffen ist aber auch nicht allzu schwer«, kommentierte die Jägerin, noch immer sehr selbstsicher.
Warum zum Henker kam ihr dieses Miststück so bekannt vor?
Drewfire erkannte die Kontur ihrer Gegnerin, merkte sich, was im Weg stand und stürmte dann mit geschlossenen Augen los.
Sie bekam die Frau zu packen, hob sie am Hals hoch und sah ihr ins Gesicht.
Als sie die Gestalt erkannte, stockte sie.
Sie blickte in ihr eigenes Gesicht und schlagartig wurde ihr klar, woher sie die Aura kannte und auch, was sie so daran verwirrt hatte – sie dürfte nicht menschlich sein.
Sie dürfte eigentlich überhaupt nicht mehr existent sein! »Lilith?! Das ist unmöglich!«, rutsche es Drewfire entsetzt heraus.
Ein überhebliches Grinsen auf den Lippen schaffte es die Jägerin, ihre Verwirrung zu nutzen, um sich zu befreien.
Im nächsten Moment löste sich etwas oben im Geäst und ein angespitzter Holzpfahl schnellte auf Drewfire zu…

F.Drewes

Kreativ-chaotisch und manchmal ein bisschen (Schreib)verrückt. Mehr von F.Drewes gibt es Hier

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